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Joachim-Kunert-Archiv
Kurzbiografie/ Geschichte der Institution Hans-Joachim Kunert wird am 24. September 1929 in Berlin geboren. Nach seinem Schulabschluss arbeitet er ab 1947 für die neu gegründete DEFA als Regieassistent, u. a. für die Regisseure Kurt Maetzig ("Ehe im Schatten", 1947) und Wolfgang Schleif ("Grube Morgenrot", 1948; "Und wenn's nur einer wär", 1948/49; "Die blauen Schwerter", 1949). Nebenher wird er 1947/48 im neu gegründeten Nachwuchsstudio der DEFA ausgebildet. 1951/52 assistiert er bei Wolfgang Langhoff und Rudolf Noelte am Deutschen Theater in Berlin. In der folgenden Spielzeit wechselt er ans Meininger Theater, wo er nach weiteren Assistenzen mit der Inszenierung von Paul Herbert Freyers Stück "Auf verlorenem Posten" als Regisseur debütiert. 1954 erhält Joachim Kunert eine Anstellung als Regisseur im DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme. Sein erster Film "Ein Strom fließt durch Deutschland" (1954) wird sogleich ein beachtlicher Erfolg. Nach einer weiteren Dokumentararbeit wechselt Kunert 1956 als jüngster Regisseur ans DEFA-Studio für Spielfilme. In seinem Spielfilm-Debüt "Besondere Kennzeichen: keine" (1956) widmet er sich anhand der von Erika Müller-Fürstenau gespielten Hauptprotagonistin Gerda Krause, dem Schicksal der Frauen im Nachkriegsdeutschland. In der Folge realisiert er neben Kriminal- und Komödienstoffen auch die ambitionierte Martin-Andersen-Nexö-Verfilmung "Der Lotterieschwede" (1958) mit Erwin Geschonneck in der Hauptrolle. Gemeinsam mit dem Schriftsteller Jens Gerlach plant er einen Film-Zyklus weiterer Nexö-Werke von denen allerdings keines verwirklicht werden kann. Lediglich einen biografischen Dokumentarfilm über den dänischen Schriftsteller können beide realisieren. Bereits 1960 beginnt Joachim Kunert auch für das Fernsehen zu arbeiten. Obwohl die live-gesendeten TV-Spiele "Der Schatten von gestern" (1960) und "Die unbekannte Größe" (1961) sowie der TV-Film "Die letzte Nacht" (1961), eine der ersten Zusammenarbeiten des Deutschen Fernsehfunks mit der DEFA, sowohl von der Kritik als auch den Zuschauern weitestgehend positiv aufgenommen werden, bleibt der Ausflug zum Fernsehen zunächst nur eine Episode. Nachdem er 1961/62 mit "Das zweite Gleis" einen der formal eigenwilligsten DEFA-Filme geschaffen hat, beginnt er im Folgejahr mit den Arbeiten zu seinem wohl bekanntesten Werk. Der Film "Die Abenteuer des Werner Holt", nach dem vielgelesenen Roman von Dieter Noll, kommt nach fast zweijähriger Arbeit 1965 in die Kinos und wird vom Publikum begeistert aufgenommen. Die Kritik bescheinigt Joachim Kunert, dass er für die schwierige Adaption der literarischen Vorlage eine adäquate Filmsprache gefunden hat. Gemeinsam mit dem Autor Claus Küchenmeister und dem Kameramann Rolf Sohre erhält er den Nationalpreis der DDR. Auch international erregt der Film Aufmerksamkeit, so läuft er u. a. auf den Filmfestivals in Moskau, Cannes, Edinburgh, Karthago, Sydney, London und Neu-Delhi und wird in insgesamt 42 Länder verkauft. Selbst beim Kinostart 1966 in der BRD wird dem Film und seinem Regisseur Respekt gezollt, obwohl DEFA-Streifen dort generell keinen leichten Stand haben. Im selben Jahr planen Joachim Kunert und Franz Fühmann das Wirken der Widerstandsgruppe "Die weiße Rose" für die Leinwand zu bearbeiten. Nach einem gemeinsamen Besuch beim Vater von Hans und Sophie Scholl, Robert Scholl in München, wird das Projekt auf dessen Wunsch hin aufgegeben. Mit "Die Toten bleiben jung" (1968) adaptiert Joachim Kunert erstmalig einen Stoff von Anna Seghers. Die anspruchsvolle Literaturverfilmung nach einem gemeinsam mit Christa Wolf verfassten Szenarium markiert den Beginn einer langjährigen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Werk der Autorin. So liefert Ihre Erzählung "Das Duell" dann auch die Vorlage für seine letzte DEFA-Arbeit, den Episodenfilm "Aus unserer Zeit" (1969/70). Nachdem das Fernsehen der DDR ihm bereits 1968 die Inszenierung der Seghers-Erzählung "Agathe Schweigert" angeboten hat, die er 1971/72 realisieren kann und für die er sowohl national als auch international vielfach Anerkennung erfährt, wechselt Joachim Kunert 1970 endgültig zum Fernsehen, für das er 1974 auch die Seghers-Novelle "Das Schilfrohr" (1974) verfilmt. 1977 erhält er für seine Seghers-Verfilmungen den Heinrich-Greif-Preis I. Klasse. Mit "Steckbrief eines Unerwünschten" (1975), nach Reportagen von Günter Wallraff, stellt Kunert ein interessantes Experiment vor. Inszenierte Spielszenen werden mit Interviewpassagen verknüpft und verleihen so dem Film einen authentischen, dokumentarischen Charakter. In weiteren Arbeiten beschäftigt Kunert sich sowohl mit Problemen der jüngsten deutschen Vergangenheit ("Das Verhör", 1977) als auch mit aktuellen internationalen politischen Problemen ("Die Spur des Vermissten", 1980).1981 und 1983 porträtiert Kunert die Mediziner Robert Koch und Ferdinand Sauerbruch für zwei Folgen des aufwendigen Fernsehzyklus "Berühmte Ärzte der Charité". Die hier angewandte Methodik der Verknüpfung historischer Personen mit zeitgeschichtlichen Ereignissen wird er auch für sein letztes Filmprojekt wieder aufgreifen. Die großangelegte siebenteilige Firmensaga "Die gläserne Fackel", in dreijähriger Arbeit entstanden, hat im Herbst 1989 Bildschirmpremiere. Im Oktober gestartet, gerät der Film, bedingt durch die politischen Veränderungen im Land, ab November zunehmend in die Kritik und wird als nicht zeitgemäß angegriffen. Obwohl Joachim Kunert noch diverse Filmprojekte in Planung hat, darunter Stoffe über Wolfgang Amadeus Mozart, Albert Schweitzer und das Zusammentreffen von Ludwig van Beethoven mit Johann Wolfgang Goethe, kann er nach dem Ende der DDR keinen Film mehr realisieren. Joachim Kunert stirbt am 18. September 2020. Beschreibung des Bestandes Archiv, 4,5 lfm. Werkunterlagen zu allen seinen Regiearbeiten im Dokumentar-, Spiel- und Fernsehfilm, u. a. Drehbücher, Szenarien, Szenenbildentwürfe, Produktionsunterlagen, Notizen, Werk-, Szenen- und Motivfotos, Recherchematerialien, Presse und Kritiken, Filmprogramme, Plakate, Werbematerialien, Unterlagen zu Festivalaufführungen seiner Filme im In- und Ausland; Werk- und Szenenfotos sowie Programmhefte zu seinen Regieassistenzen bei Film und Theater; Drehbücher, Szenarien, Motivfotos, Arbeitsunterlagen, Notizen, Rechercheunterlagen zu nicht realisierten Projekten; wenig Korrespondenz, u. a. mit Johanna Andersen Nexö, Heinz Bongartz, Joachim Herrmann, Wolfgang Schleif, Rosemarie Kunert; wenige biografische Dokumente; Urkunden und Auszeichnungen; Typoskript von Anna Seghers zu ihrem Roman "Das Vertrauen".
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